Review
Hurra, Hurra… Netflix hat mal wieder ordentlich die Kohle von seinen Abonnent:innen verbraten. Ob sich der teuerste Film der Streaming-Geschichte lohnt, dass werde ich Euch hier verraten. Kündigt aber vorsichtshalber schon einmal Euer überteuertes Abo.
Himmel, Arsch und Zwirn. Ich bin wirklich schockiert. Von Streaming-Diensten ist man mittlerweile so einiges gewöhnt, aber mit „The Gray Man“ hat Branchenprimus Netflix endgültig den sprichwörtlichen Vogel abgeschossen, wenn nicht sogar atomisiert. Wie man über 200 Millionen Dollar dermaßen langweilig und inspirationslos pulverisieren kann, dass ist wahrhaftig eine beachtenswerte Leistung. Hut ab. Davon muss ich mich wirklich erst einmal ausgiebig erholen. Dabei dachte ich, dass man mit „Red Notice“ einen traurigen Höhepunkt am Streaming-Himmel erreicht hätte, aber weit gefehlt.
Eine Story sucht man leider vergebens. Lässt sich kurz etwas wie eine Handlung erahnen, plätschert es gefühlt in Zeitlupentempo nur so vor sich hin und besitzt keinerlei Spannung. Zudem ist der Film viel zu generisch, vorhersehbar und austauschbar. Einfach völlig egal.
Im Film reist man gefühlt um den ganzen Globus, was ich erst einmal ganz gut finde. Gehört für einen Spionage-Streifen ganz klar zum guten Ton. Was ich überhaupt nicht gut finde, ist die Tatsache, dass die Macher Original-Schauplätze mit billigen Kulissen kombiniert haben. Da fallen besonders die Szenen auf, die in der tschechischen Hauptstadt Prag spielen. Der größte Hammer ist aber das „Finale“. Es ist ein in Kunstlicht gedrehter schlechter Witz. Komplett im Studio gedreht und scheint vom „Red Notice“-Set übrig geblieben zu sein.
Ich bin immer wieder überrascht, wie schlecht die CGI-Effekte von großen und teuren Netflix-Produktionen sind. Gab es die irgendwo im Angebot? Vielleicht bei Wish bestellt? Hatte Weta Digital Betriebsferien? Keine Ahnung. Man kann sich die digitale Grütze jedenfalls kaum anschauen. Für einen Film mit Mega-Budget ein absolutes No-Go und ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten.
Mit Produktplatzierungen habe ich in der in der Regel kein Problem. Bekannte Marken gehören zum normalen Leben dazu und sollten auch in Filmen vorkommen. Alles andere ist Quatsch. Wirklich penetrant und dämlich finde ich die Produktplatzierung von den deutschen Autoherstellern Audi und Mercedes. Es scheint auf der Welt einfach keine anderen Autos zu geben, wenn man sich „The Gray Man“ anschaut. Da wird jeweils einmal die komplette Produktpalette präsentiert.
Aber am meisten hat mich das Overacting der Darsteller angekotzt. Ryan Gosling, Chris Evans, Ana De Armas und Regé-Jean Page haben sich definitiv nicht mit Ruhm bekleckert. Chris Evans sticht da besonders hervor. Seine Darbietung als Auftragskiller sollte mit einer Nominierung für eine Goldene Himbeere honoriert werden. Man sieht selten einen etablierten Holllywood-Schauspieler dermaßen drüber. Über seinen lächerlichen Pornobalken fangen wir erst gar nicht an zu reden. Einfach nur peinlich.
Das von den Gebrüdern Russo („Avengers: Endgame“) inszenierte Hochglanz-Machwerk taugt also höchstens als kurzweiliger No-Brainer, aber ist nicht eine Sekunde als ernstzunehmende Konkurrenz von den altbewährten Spionage-Franchises zu gebrauchen.
Halten wir fest: Am Ende des Tages ist und bleibt der Streifen eine sündhaft teure Luftnummer – und hinterlässt nicht einmal einen schmackhaften Fettfleck auf meiner Guilty-Pleasure-Liste. Dabei hätten Bond und Hunt mal Konkurrenz gebrauchen können, aber das bleibt wohl Wunschdenken meinerseits.
Ob Netflix jemals noch einmal Qualität vor Quantität stellt, bleibt zweifelhaft. „The Gray Man“ ist wie „Red Notice“ ein Paradebeispiel, dass hunderte Millionen Dollar noch keinen guten Film machen.