Seitdem große Rollenangebote aus Hollywood für Antonio Banderas verwehrt bleiben, tut er es Schauspielkollegen wie Nicolas Cage, Mel Gibson und Bruce Willis gleich: Sie versuchen ihr Glück mit Direct-to-Video-Produktion. Sie werden größtenteils kostengünstig im Ausland gedreht und direkt für eine Auswertung im Heimvideomarkt veröffentlicht. Diesmal hat sich Banderas für das Drehbuch zu „The Enforcer“ entschieden – eine gute Wahl.
In Miami macht der talentierte Straßenschläger Stray (Mojean Aria) bei dreckigen Hinterhofkämpfen schnell auf sich aufmerksam. Er wird von der zwielichtigen Stripclub-Besitzerin Estelle (Kate Boseworth) gezwungen für sie zu arbeiten – und dann dem gnadenlosen Mafia-Killer Cuda (Antonio Banderas) zur Seite gestellt, der in dem als Noir-Thriller angelegen Film auf Abwege gerät.
Eines Tages beobachtet Cuda, wie die 15-jährige Ausreißerin Billie (Zolee Griggs) in Stress verwickelt ist und schlichtet den Streit. Da sie ihn unweigerlich an seine gleichaltrige Tochter erinnert, fühlt er sich für sie verantwortlich und spendiert ihr ein Hotelzimmer, damit sie zumindest einen Schlafplatz hat. Als Cuda am nächsten Tag bei Billie vorbei schaut, findet er heraus, dass sie entführt wurde. Fortan macht er sich gemeinsam mit Stray in der Unterwelt von Miami auf die Suche nach Billie, was für beide immer mehr zum Problem wird.
Banderas beweist als Cuda, dass er mehr als mittelmäßige Drehbücher annehmen und maskierter Rächer spielen kann. Er hängt sich mit vollem Einsatz in seine Rolle rein, was man von Anfang an spürt. Sein Charakter möchte eigentlich nichts mehr mit der Unterwelt und Estelle’s Geschäften zu tun haben. Seine dunkle Vergangenheit holt ihn immer wieder ein. Eine innere Zerrissenheit, die ihn nicht mehr los lässt. Das Verhältnis zu seiner eigenen Tochter ist schlecht, was er eigentlich aufbessern möchte. Wenn schon seine Ehe gescheitert ist, möchte er zumindest für seine Tochter ein besserer Vater sein. Dies stellt sich verständlicherweise als schwierig heraus, wenn man ein Auftragskiller für die Mafia ist.
Bei Stray sieht es ähnlich aus. Nachdem er seine neue Freundin Lexus (Alexis Ren), die als Stripperin in Estelles Club angestellt ist, näher kennengelernt hat, überlegt er aufzuhören und einem ehrlichen Job nachzugehen, was aber nicht sonderlich gut klappt. Er bleibt weiterhin in den Fängen von Estelle. Sein Part wird im Verlauf des Films immer wichtiger. Er hadert zudem immer wieder mit sich selbst und wird am Ende vor eine äußerst schwierige Wahl gestellt.
Miami, die einzigartige Metropole an der Ostküste der USA, machte als Kulisse schon immer eine gute Figur. Unter anderem wurden dort Brian de Palmas Gangster-Epos "Scarface" sowie Michael Manns 80er-Kultserie "Miami Vice" gedreht. Leider schafft man nicht den besonderen Flair der Stadt einzufangen, was einen besonderen Grund hat: Es wurde nämlich überhaupt nicht in Miami gedreht. Als Kulisse diente die griechische Hafenstadt Thessaloniki. Das sieht man leider auch, wenn man schon einige Filme gesehen hat, die dort gedreht wurden.
Die wenigen Szenen, die am Tag spielen, sehen zudem viel zu plastisch und künstlich aus. Szenen bei Nacht und in dunklen Räumen sind dafür sehr ansehnlich und stylisch inszeniert und lassen darüber hinwegsehen. Hervorzuheben ist diesbezüglich die gute Lichtsetzung, was perfekt zum Noir-Stil des Films passt.
Kleine Anmerkung: Was außerdem auffällt sind einige Parallelen zu „96 Hours“, die eindeutig nicht zu leugnen sind. Mehr sollte aber dazu nicht verraten werden.
Richard Hughes' Werk hat definitiv seine Schwächen, aber auch Stärken vorzuweisen. Ein gut aufgelegter Antonio Banderas überzeugt auf ganzer Linie, wie auch der Look des Films, der besonders mit seinen Low Key-Szenen punktet. Man kann „The Enforcer“ durchaus mal eine Chance geben, denn es ist eine von den aktuell besseren DtV-Produktion.
Bewertung: 65%
Seit 22. November 2022 ist "The Enforcer" als Video-on-Demand abrufbar und ab 8. Dezember 2022 als Blu-ray und DVD im Verleih von EuroVideo im Handel erhältlich.
